Medizinische Beratung

Die Medizinische Beratung der KVMV berät Ärzte leitliniengerecht zu medizinischen, pharma- kologischen, wissenschaftlichen und verordnungsrelevanten Themen der ärztlichen Tätigkeit. Im Mittelpunkt steht die Verordnung von Leistungen zu Lasten der GKV entsprechend der gesetz- lichen Regelungen. Die Beratung der Verwaltung und des KV-Vorstandes, Gremienarbeit, Ent- wicklung von Arbeitshilfen und Öffentlichkeitsarbeit sind weitere Schwerpunkte der Abteilung.

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2024 – Schwerpunktjahr HPV-Impfungen

Initiative zur Steigerung der HPV-Impfquoten in M-V

Von Dr. Martina Littmann und Dr. Inga Rellermeier*

Humane Papillomviren (HPV) gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erregern. Die durch das Virus hervorgerufenen Infektionen können u.a. zu Zellveränderungen an Zervix und Oropharynx und damit zu Krebsvorstufen bis hin zu manifesten Karzinomen führen. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) M-V weist auf die Bedeutung der HPV-Impfung hin.

Jedes Jahr erhalten in Deutschland etwa 6.250 Frauen und 1.600 Männer die Diagnose einer HPV-bedingten Krebserkrankung. 1.500 bis 1.600 Frauen sterben jährlich daran. Tausende erleiden Krebsvorstufen und mehr als 100.000 Personen erkranken an Genitalwarzen, verursacht durch HPV (1). Mit der Impfung gegen HPV steht ein hochwirksames Mittel zur Prävention dieser Erkrankungen zur Verfügung. 2007 empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) die HPV-Impfung zunächst für Mädchen. Seit Juni 2018 ist eine generelle Impfung gegen HPV für alle Mädchen und Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren zur Reduktion der Krankheitslast durch HPV-assoziierte Tumore empfohlen. Spätestens bis zum Alter von 17 Jahren sollen versäumte Impfungen gegen HPV nachgeholt werden.

Studien belegen Impfstoffwirksamkeit und Verträglichkeit

Eine 2020 publizierte schwedische Studie bei mehr als 1,5 Millionen Mädchen und Frauen, die vor dem 17. Geburtstag geimpft wurden, ergab ein um 88 Prozent geringeres Risiko für ein Zervix-Karzinom gegenüber Ungeimpften (2). In einer 2021 veröffentlichten Studie aus Großbritannien wurden Daten von 13,7 Millionen Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren ausgewertet. Auch hier zeigte sich eine signifikante Reduktion von Gebärmutterhalskrebs bei geimpften Frauen. Die Risikoreduktion fiel umso größer aus, je jünger die Mädchen zum Zeitpunkt der Impfung waren (87 Prozent bei Impfalter 12 bis 13 Jahre vs. 62 Prozent bei Impfalter 14 bis 16 Jahre). (3). Eine dritte aktuelle Studie hat im Follow-up-Design 3.580 Probanden aus 33 Kommunen in Schweden und Finnland vier und acht Jahre nach der HPV-Impfung untersucht. Dabei stellten die Autoren fest, dass die Depletion kanzerogener HPV-Typen durch die Impfung effektiv ist. Des Weiteren wurden Kommunen, in denen nur Mädchen geimpft wurden, anderen Kommunen, in denen die Impfungen mit neutralem Geschlechtsverhältnis (Impfung von Jungen und Mädchen) erfolgten, gegenübergestellt. Dabei ergab sich, dass der Effekt bei geschlechtsneutraler Impfung stärker war. Nach vier Jahren zeigte sich eine Herdenimmunität mit Effekten auch auf die ungeimpfte, erwachsene Bevölkerung (4).

Impfquoten in Deutschland

Die Quoten für eine vollständige HPV-Impfung der 15-Jährigen liegen in Deutschland allerdings nur bei durchschnittlich 50,4 Prozent für die Mädchen und bei 25,5 Prozent für die Jungen. Mecklenburg-Vorpommern liegt bei dieser Veröffentlichung im Bundesländervergleich zusammen mit Sachsen-Anhalt auf den vordersten Plätzen. 2020 waren in M-V 68,7 Prozent der 15-jährigen Mädchen und 29,9 Prozent der gleichaltrigen Jungen vollständig gegen HPV geimpft. Damit gibt es bei den HPV-Impfquoten sowohl in Deutschland als auch in M-V noch deutliche Reserven (5).

Eine aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports der Abrechnungsdaten aus den Jahren 2017 bis 2022 von mehr als 24.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in M-V versichert sind, ergab, dass die HPV-Impfungen in M-V deutlich zurückgegangen sind. 2022 wurden 30 Prozent weniger Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis 17 Jahren erstmalig gegen HPV geimpft als im Vorjahr. Damit liegt M-V deutlich über dem Bundesschnitt (Rückgang um 25 Prozent). Besonders stark ist der Rückgang bei den 15- bis 17-jährigen Jungen. Hier sanken die HPV-Erstimpfungen um 55 Prozent (6).

Nationales HPV-Impfkonzept geplant

Am 13. und 14. Juni 2024 ist M-V gemeinsam mit Sachsen-Anhalt Ausrichterland der Nationalen Impfkonferenz in Rostock-Warnemünde. Auf dieser, alle zwei Jahre stattfindenden, Fachkonferenz wird neben vielen anderen fachlichen und politischen Impfthemen auch HPV ein Schwerpunkthema sein, bei dem u.a. auch erstmals ein Nationales Impfkonzept zur Steigerung der HPV-Impfquoten in Deutschland vorgestellt werden soll (7). M-V informiert hierbei ebenfalls über seine Impfstrategien und -aktivitäten und stellt das HPV-Schulprojekt „Schüler informieren Schüler“ für M-V vor, welches 2023 vom LAGuS in Kooperation mit dem Sozial- und dem Bildungsministerium M-V, der Universitätsmedizin Rostock und der Prof. Birth Stiftung „Betroffen“ ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen dieses Projektes sollen Kinder in den 5. Klassen sowie deren Eltern gezielt zum Thema HPV aufgeklärt werden. Die Schülerinnen und Schüler erhielten einen altersgerechten, medizinischen Einführungsvortrag durch Studierende. Im Anschluss wurden kleine interaktive Diskussionsrunden angeboten, bevor die praktische Projektarbeit begann. Schwerpunkt dabei ist, dass sich die Kinder gegenseitig und aus ihrer eigenen Perspektive über HPV unter den Aspekten Immunsystem, Krebsprävention und Gesundheitsvorsorge (Impfung) informieren. Die besten Projekte sollen im Rahmen der Impfkonferenz vorgestellt und prämiert werden.

Eine weitere wichtige Möglichkeit zur Information über HPV und ggf. zur Durchführung der HPV-Impfungen bietet die Jugendgesundheitsuntersuchung (J1), die für Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren vorgesehen ist. Seit 2012 konnte durch die Einführung der Erinnerungsschreiben für die freiwillige J1-Untersuchung durch das LAGuS M-V die Inanspruchnahme dieser kinderärztlichen Vorstellung von 43 Prozent (I/2012) auf 58 Prozent (III/2023) gesteigert werden. Um die Impfquoten der sehr effektiven HPV-Impfung weiter zu erhöhen und damit viele Kinder und Jugendliche vor HPV-assoziierten Tumoren zu schützen, soll möglichst jede Arztkonsultation bei den 9- bis 17-Jährigen genutzt werden, um neben dem allgemeinen Impfstatus auch die Vollständigkeit der HPV-Impfungen zu kontrollieren und ggf. fehlende Impfserien zu beginnen bzw. Impfungen nachzuholen. Deshalb rufen wir neben den Kinder- und Jugendärzten, den Hausärzten, Allgemeinmedizinern und Gynäkologen auch alle Ärztinnen und Ärzte anderer Fachgebiete auf, im Jahr 2024 schwerpunktmäßig die HPV-Impfungen für die betroffene Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen anzubieten und durchzuführen.

(1) Robert Koch Institut (2018). RKI-Ratgeber Humane Papillomviren Epidemiologisches Bulletin 27; Zentrum für Krebsregisterdaten am RKI. Gebärmutterhalskrebs (Stand 6.12.2017)

(2) N Engl J Med. 2020;383(14)

(3) Lancet. 2021;398(10316)

(4) Ecological diversity profiles of non-vaccine-targeted HPVs after gender-based community vaccination efforts (cell.com)

(5) Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung, Stand 2021, www.zi.de/detailansicht/januar-2023

(6) https://www.dak.de/dak/landesthemen/mecklenburg-vorpommern-knapp-ein-drittel-weniger-hpv-impfungen-bei-kindern-und-jugendlichen-2636434.html#/ 

(7) www.nationale-impfkonferenz.de

 

*Dr. med. Martina Littmann ist Abteilungsleiterin Gesundheit im LAGuS M-V;
Dr. med. Inga Rellermeier ist Fachärztin für Neurologie.